Lebenslagen
Zeugenvernehmung
In der Regel sind Strafverfahren öffentlich. So können alle interessierten Bürgerinnen und Bürger als Zuschauerinnen und Zuschauer daran teilnehmen.
Ablauf
Wenn Sie als Zeugin oder Zeuge in einem Verfahren geladen sind, sollten Sie erst nach Ihrer Aussage im Gerichtssaal an der Verhandlung teilnehmen.
Zuvor sollten Sie vor dem Saal oder im Zeugenbetreuungszimmer warten, bis Sie aufgerufen werden.
Zu Beginn der Vernehmung weist Sie das Gericht nach einer Einführung in den Sachverhalt darauf hin, dass vor Gericht Wahrheitspflicht besteht und Falschaussagen strafbar sind.
Das gilt auch für falsche Angaben zur eigenen Person.
Nachdem das Gericht Sie zu Ihren persönlichen Verhältnissen wie Name, Geburtsdatum, Adresse, Beruf und einer Verwandtschaft mit der oder dem Angeklagten befragt hat, wird vom Gericht darüber entschieden, ob Sie die Aussage verweigern dürfen.
Zeugnisverweigerungsrecht
Ein Zeugnisverweigerungsrecht kann das Gericht Ihnen beispielsweise bei Vorliegen folgender Gründe einräumen:
- persönliche Gründe (zum Beispiel bei Ehefrauen und Ehemännern, Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern, Verlobten und nahen Verwandten)
- berufliche Gründe (bei Personen, die einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen, zum Beispiel Geistliche, Redakteure, Journalisten, Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer)
Außerdem dürfen Sie als Zeugin oder Zeuge Antworten auf einzelne Fragen verweigern, wenn Sie durch Ihre Aussage sich oder nahe Angehörige der Strafverfolgung aussetzen würden (Auskunftsverweigerungsrecht).
Zu Beginn Ihrer Aussage wird das Gericht Sie auffordern, alles zu berichten, was Sie über die zur Verhandlung stehende Sache wissen. Auch hier ist wichtig, dass Sie nicht von der Wahrheit abweichen und vollständig alles erzählen, was Sie wissen. Wenn Sie etwas nicht mehr genau wissen, teilen Sie dies dem Gericht mit. Lassen Sie nichts bewusst weg und "erfinden" Sie auch nichts dazu.
Im Anschluss an Ihre Aussage werden Sie eventuell zuerst von der oder dem Vorsitzenden, dann von den anderen Mitgliedern des Gerichts und zuletzt von der Staatsanwältin oder vom Staatsanwalt und der Verteidigung befragt.
Auch Angeklagte haben das Recht, Fragen an Sie zu richten. Diese müssen Sie ebenfalls wahrheitsgemäß beantworten. Das gilt selbst dann, wenn dies unangenehm für Sie sein sollte.
Hinweis: Sie müssen sich aber weder beleidigen lassen noch immer wieder auf die gleiche Frage antworten. Im Zweifel können Sie jederzeit das Gericht fragen, ob Sie sich eine Ihrer Auffassung nach nicht angemessene, beleidigende oder verletzende Wortwahl oder Frage gefallen lassen müssen.
Am Ende der Vernehmung wird dann darüber entschieden, ob Sie vereidigt werden. Als Opfer einer Straftat werden Sie in der Regel nicht vereidigt.
Zeugenschutz im Strafverfahren
Wenn Sie in irgendeiner Form bedroht werden, sollten Sie dies unabhängig von einer etwaigen Kontaktaufnahme mit der Zeugenbetreuung umgehend der Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Gericht melden, damit entsprechende Maßnahmen getroffen werden können.
So besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass Sie Ihren Wohnort geheim halten und dafür eine andere Adresse angeben, an der Sie zuverlässig zu erreichen sind. Das kann beispielsweise die Adresse Ihres Arbeitsplatzes oder die Adresse der Kanzlei Ihrer anwaltlichen Vertretung sein.
Bei Aussagen zu besonders belastenden persönlichen Themen wie beispielsweise Fragen zu Ihrem Gesundheitszustand oder Ihrer Intimsphäre kann das Gericht die Öffentlichkeit ausschließen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass bei belastenden Aussagen oder bei Bedrohungen die Verhandlung in Abwesenheit der oder des Angeklagten durchgeführt wird.
Zeugenentschädigung und Kostenersatz
Als vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft geladene Zeugin oder geladener Zeuge haben Sie Anspruch auf Entschädigung. Wenn Sie nicht in der Stadt wohnen oder arbeiten, in der der Termin stattfindet, erhalten Sie für die Dauer Ihrer Abwesenheit ein Tagegeld.
Außerdem haben Sie Anspruch auf Ersatz der tatsächlichen und notwendigen Fahrtkosten und Aufwendungen. Fahrtkosten sind beispielsweise Kosten für öffentliche Verkehrsmittel oder Kilometergeld, wenn Sie ein privates Kraftfahrzeug nutzen. Aufwendungen sind beispielsweise Kosten notwendiger Vertretungen oder Begleitpersonen.
In der Regel erhalten Sie zusammen mit der Ladung zum Termin Formulare für
- einen Antrag auf Zeugenentschädigung und
- eine Bescheinigung des Verdienstausfalls durch den Arbeitgeber.
Hinweis: Ihren Anspruch auf Entschädigung müssen Sie innerhalb von drei Monaten geltend machen.
Vertiefende Informationen
- Justizportal des Landes
- Thema "Opferschutz"
- Formulare, Hinweisblätter und Broschüren zum Herunterladen, die Ihnen den Umgang mit den Gerichten erleichtern können, so zum Beispiel unter "3. Opfer einer Straftat" das Merkblatt für Opfer einer Straftat (in mehreren Sprachen)
- Opferfibel des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
- nützliche und leicht verständliche Informationen für den Gang vor Gericht:
- Wenn Sie Opfer einer schweren Gewalt- oder Sexualstraftat geworden sind, haben Sie unter Umständen Anspruch auf kostenfreie Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung.
Dabei handelt es sich um eine besonders für den Umgang mit Opfern von Straftaten weitergebildete Fachkraft.
Ein Verzeichnis der baden-württembergischen psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter finden Sie auf den Internetseiten des Oberlandesgerichts Stuttgart unter der Rubrik „Service“ und dem Stichwort „Psychosoziale Prozessbegleitung“.
Freigabevermerk
Stand: 11.09.2024
Verantwortlich: Justizministerium Baden-Württemberg